Servus,
ich weiß, ich habe an dieser Stelle schon öfter über Integration und Migration geschrieben, aber einmal muss es noch sein. Denn der Budgetdienst des Parlaments, eine Art Mini-Rechnungshof, hat einen hochspannenden Bericht veröffentlicht, den man nicht einfach so liegen lassen kann – hier findest du ihn zum Download. Auf Anfrage des FPÖ-Abgeordneten Hermann Brückl hat er eine umfassende Analyse durchgeführt, wie viel Asylmigration und Integration den Staat 2022 und 2023 kosten – Betonung auf: „den Staat“.
Denn recht oft redet man nur über die Kosten des Bundes, wenn man diese Dinge bespricht, und vergisst, dass einen bedeutenden Anteil der Kosten – besonders bei der Grundversorgung oder der Mindestsicherung – die Bundesländer tragen. Der Budgetdienst hat sich für seine Übersicht einen Gesamtüberblick verschafft, der die Kosten der „Flüchtlingsmigration“ quer über die staatlichen Ebenen darstellt.
Zumindest teilweise – denn die Analyse hat zwei Schwächen. Erstens ist, wie so oft, die Datenlage ausbaufähig:
„Die Erhebung der im Zusammenhang mit Asylwerber: innen und Asylberechtigten anfallenden budgetären Auswirkungen wurde durch Datenlücken in wesentlichen Bereichen erschwert. Im Bereich der Schulen, Gesundheit und Mindestsicherung liegen nur begrenzt systematische Daten vor und es fehlen auch wesentliche Statistikdaten. Eine einheitliche Datenbasis und eine bessere Verknüpfung der bereits vorhandenen Daten wäre anzustreben, um eine bessere Basis für Analysen und Integrationsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen und die Administration zu erleichtern.“
Sprich: Auch die Summen, die der Budgetdienst errechnet hat, sind eher eine Annäherung an die tatsächlichen Kosten für den Steuerzahler: „Aufgrund von Datenlücken sind die Auszahlungen tendenziell unterschätzt, weil für Bildung und Gesundheit nur ein Teil der Auszahlungen eruierbar ist“, warnen die Autor:innen.
Der andere blinde Fleck ist, dass den Kosten der Asylmigration natürlich auch höhere Einnahmen gegenüberstehen: Wenn Asylberechtigte Arbeit finden, zahlen sie genauso Abgaben, wie wenn bei ihren Einkäufen die Mehrwertsteuer fällig wird. Und die Bereitstellung von Flüchtlingsquartieren und der damit verbundene Konsum habe ebenfalls positive wirtschaftliche Effekte, schreibt der Budgetdienst – allerdings habe die FPÖ in ihrer Anfrage nur nach den Kosten gefragt, weswegen diese Gegenrechnung in der Analyse unterbleibt.
Was sich in dem Bericht aber sehr wohl findet, sind die folgenden Faktoren:
• Grenzüberwachung
• Verwaltung Fremdenwesen
• Verfahrenskosten
• Grundversorgung
• Sozialhilfe
• Gesundheitsversorgung
• andere Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe
• Integrationsmaßnahmen
• Arbeitsmarktförderung
Wo es möglich war, hat der Budgetdienst die Kosten für die Versorgung der Ukrainevertriebenen gesondert ausgewiesen, weil es sich dabei sowohl politisch als auch rechtlich um besondere Fälle handelt; diese Kosten lagen 2022 bei 235 Millionen Euro , heuer sind 654 Millionen Euro veranschlagt. Weil das politisch aber eher ein Thema sein wird, fokussieren wir uns hier auf die Kosten aller anderen Fälle.
Und das sind aktuell ziemlich viele. Zur Erinnerung: 2022 war das absolute Rekordjahr bei Asylanträgen in Österreich:
Bevor wir zu den Details kommen, eine kurze Erklärung: Die Kosten, die der Budgetdienst hier ausgewiesen hat, fallen zeitlich versetzt an: Wenn Migrant:innen nach Österreich kommen und Asyl beantragen, landen sie zunächst einmal in der Grundversorgung – der Staat stellt ihnen Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung, sie dürfen mit wenigen Ausnahmen nicht arbeiten. Die Kosten dafür teilen sich Bund und Länder grundsätzlich 60:40 auf.
Im Verlauf der Verfahren verschiebt sich der Fokus : Wenn jemand Asyl zugesprochen bekommt, ist er Staatsbürger:innen in vielen Aspekten gleichgestellt – er oder sie darf arbeiten und bekommt Sozialhilfe, wenn er oder sie nicht allein auskommt[MC1] . Weil Asylberechtigte tendenziell weniger Arbeit finden als Bürger:innen, bekommen sie einen weit größeren Teil der Sozialhilfeausgaben.
Das hat sich in den vergangenen Jahren so entwickelt:
Was wir in dieser Grafik sehen, ist an sich eine kleine Erfolgsgeschichte: 2019 waren die Ausgaben so hoch, weil die Behörden – das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die Gerichte, die dessen Entscheidungen prüfen – damals noch einen hohen Rückstau an Fällen aus den Jahren 2015 und 2016 hatten. Dem konnten sie aber, auch dank politischer Entscheidungen, Herr werden:
„Ab 2019 trug die Personalverstärkung sowohl im BFA als auch im BVwG zu einem deutlichen Abbau der offenen Verfahren und zu einer Reduktion der Verfahrensdauer bei. Diese Entwicklung wurde zusätzlich durch geringere Asylantragszahlen erleichtert.
(…)
Die durchschnittliche Asylverfahrensdauer beim BFA betrug Anfang 2016 7,4 Monate und stieg bis zum 3. Quartal 2018 auf 21,6 Monate. In den folgenden Jahren konnte eine schrittweise Reduktion der Verfahrensdauer auf 3,5 Monate im Jahr 2022 erreicht werden.“
Das kann man als Signal lesen, dass Politik tatsächlich nicht so hilflos ist, wie manchmal behauptet wird: Asylverfahren sind heute deutlich kürzer, weil man sich entschieden hat, das müsse schneller gehen und dafür mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt hat. Klar hat die Migrationswelle 2022 die offenen Fälle wieder nach oben getrieben – aber auch die werden weit schneller abgearbeitet als noch vor sieben Jahren; weswegen sogar die nominalen Ausgaben für die Grundversorgung heuer niedriger veranschlagt sind als 2019.
Über den zweiten großen Posten in der Versorgung von Asylmigrant:innen, die Sozialhilfe, habe ich in diesem Newsletter schon einmal geschrieben – hier lang zur Auffrischung. Ein positives Signal dazu findet sich aber auch in der Analyse des Budgetdienstes: Die seit 2016 nach Österreich gekommenen Asylberechtigten haben sich immer schneller in den Arbeitsmarkt integriert. Das AMS hat in den Jahren 2015-2019 einzelne „Kontrollgruppen“ durch ihre Erwerbslaufbahn verfolgt – die folgende Grafik zeigt, dass spätere Ankunftsjahrgänge immer schneller Arbeit gefunden haben:
Zwei Vorbehalte: Erstens kann das natürlich ein Effekt der in diesen Jahren florierenden Wirtschaft gewesen sein – wie sich das jetzt, wo es nicht mehr so gut läuft, entwickelt, bleibt abzuwarten. Zweitens ist die Erwerbsquote unter Asylberechtigten noch immer ausbaufähig – dazu habe ich hier ausführlicher geschrieben.
Aber das ist eine andere Geschichte. Hier also die Gesamtkosten der Asylmigration 2022:
In Summe hat das, wie gesagt ohne Ukrainevertriebene, im Vorjahr rund 1,6 Milliarden Euro ausgemacht, das entspricht etwa 180 Euro pro Einwohner:in oder 3,7 Promille der Wirtschaftsleistung des Landes. Tendenz steigend – heuer erwartet der Budgetdienst Kosten von 1,95 Milliarden Euro, das macht 4,1 Promille des BIP aus.
Der Budgetdienst schließt seine Analyse aber mit einer grundsätzlich positiven Botschaft: Politik macht einen Unterschied, zum Beispiel in den Kosten der Grundversorgung, wo private Quartiere günstiger sind als staatliche, oder in der Arbeitsmarktpolitik, wo „durch entsprechende Arbeitsmarktanreize die mittelfristigen budgetären Belastungen grundsätzlich reduziert, die Integration verstärkt und positive volkswirtschaftliche Nebeneffekte erzielt werden können“.
Es gäbe also durchaus Spielraum, wenn man sich mit den Kosten des Asylwesens nicht abfinden möchte. Schauen wir einmal, was die Parteien daraus machen werden.
Herzlich,
Euer Georg Renner